Gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen

Die konkrete Betriebsarbeit von FAU-Mitgliedern im Theater Orchester Biel Solothurn (TOBS) trägt Früchte und fordert die UNIA heraus. Ein Interview mit Museng Fischer, Mitglied der FAU und der Personalkommission.

FAU: Kannst du etwas über deinen Werdegang erzählen?

Museng: Schon während meines Filmstudiums (1999-2004, Genf) habe ich nebenbei in Kinos, Theater und für Festivals gearbeitet. Ein Patchwork an Arbeitsstellen, welches zum Leben ausreichte, Beiträge an die 2. Säule blieben allerdings aus. Schon damals empfand ich dies als einen Systemfehler, war jedoch nicht gewerkschaftlich organisiert und damit beschäftigt, ein Quartierkino zu retten (was auch gelang). Ursprünglich aus der Deutschschweiz, lebe ich seit 2015 mit meinem Mann und unserer 12-jährigen Tochter in Biel und arbeite seit 2020 als Ankleiderin im Nebenerwerb beim TOBS. 

FAU: Wie sind deine Arbeitsbedingungen?

Museng: Als Ankleiderin gehöre ich zum technischen Personal und habe fast ausschliesslich Vorstellungsdienst. Wir sind für die Kostüme verantwortlich, einrichten, auspacken, bei Umzügen helfen. In der Oper arbeiten wir zu zweit, normalerweise sind wir bei allen Vorstellungen dabei, in Biel, Solothurn und bei Gastspielen. Wir stossen erst kurz vor der Premiere zum Team und müssen dann die Kostüme und Besonderheiten des Stücks verstehen und viele Namen und Gesichter auswendig lernen. Während den drei Endproben sind immer auch die Schneider:innen und Kostümbildner:innen mit dabei. Die Wintermonate sind streng, dann gehen die Leute in die Oper, im Sommer gibt es für uns Ankleiderinnen keine Arbeit. Wir sind im Stundenlohn angestellt (Grundlohn Fr. 25.80, seit Februar 2025 Fr. 27.10), die Jahresarbeitszeit entspricht ca 30%. 

FAU: Was ist deine Motivation dich innerhalb der FAU zu engagieren?

Museng: Die basisdemokratische Struktur gefällt mir. Wir alle haben Erfahrungen, Wissen und können uns bei Problemen gegenseitig unterstützen. Ich setze mich beim TOBS zum ersten Mal mit dem Arbeitsrecht auseinander, obwohl ich seit 1996 in der Kulturbranche arbeite. Seit 2024 engagiere ich mich in der Personalkommission (Peko), was ein wichtiger Lernprozess für mich ist. 

FAU: Ihr habt innerhalb des TOBS erfolgreich eine Betriebsgruppe gegründet. Wie seid ihr vorgegangen?

Museng: Veranlasst durch die Personalversammlung vom August 2023, bei der sich der Bedarf eines Ideenpools zur Verbesserung des Gesamtarbeitsvertrages (GAV) für das nicht-künstlerische Personal herauskristallisierte, wurden von der Peko verschiedene Treffen mit dem Personal organisiert, zur Reflektion des Arbeitsalltags und in kritischer Auseinandersetzung, was die UNIA momentan für uns tut. Ausserdem entstand die Betriebsgruppe der weiblich gelesenen- oder Flinta* Personen. Die informellen Flinta*-Treffen haben mich dann noch mehr sensibilisiert, und ich finde diese Bewegung sehr positiv. 

FAU: Was sind Themen der Flinta-Treffen, was hat dich gerade sehr angesprochen?

Museng: Sicherheit, Vorgehen bei Gesprächen mit Vorgesetzten, Kurse & Weiterbildungen, klare Richtlinien bei Krankheit und Ersatzkräften, Informationsaustausch, etc. Es ist «Work in Progress». Einige haben radikalere Ideen und andere haben konkrete Anliegen. Die Anwesenden haben sich klar für diese Treffen entschieden, es ist auch ein „safe-space“ wo mensch über Probleme am Arbeitsplatz reden kann, ohne gleich vor einen Chef stehen zu müssen, und wo gemeinsam reflektiert und ausgetauscht wird.

FAU: Mittlerweile habt ihr im Betrieb fast 30 Mitglieder und habt unter anderen eine Mitarbeiter:innenumfrage durchgeführt. Was sind die wichtigsten Forderungen der Angestellten für einen neuen GAV?

Museng: Faire und zeitgemäße Löhne. Unsere Mindestlöhne wurden 2012 und 2019 angepasst, obwohl im GAV steht, dass dies jährlich, in Relation zur Jahresteuerung, geschieht. Der Mindestlohn in der Produktion oder Technik lag bis letztes Jahr bei Fr. 4300.-. Mehr Flexibilität und Freiheiten für Pflege von Angehörigen und Trauerfall von Angehörigen. Eine neu aufgesetzte Regelung zu gewerkschaftlicher Tätigkeit und die Arbeit in der Peko, klar beschriebene Aufgabenfelder und richtig bemessenes Arbeitsvolumen.

FAU: Welche Rolle hat die Personalkommission?

Museng: Wir wurden von der Personalversammlung gewählt und vermitteln zwischen den Gewerkschaften, der Direktion/ Stiftungsrat und dem Personal. Also: vermitteln, zuhören, kürzen, ergänzen, Termine finden, durchsetzen, Wunden lecken, zusammen überlegen, informieren… Drei von vier Mitgliedern der Peko sind in der FAU.

FAU: Wie offen ist der Direktions- und Stiftungsrat des TOBS?

Museng: Ich empfinde das Klima eigentlich ganz positiv. Man möchte natürlich so wenig Probleme wie möglich, doch wird auch verstanden, dass wir gewisse Dinge einfordern – und teilweise wiederholt ansprechen müssen. Wie den im GAV vermerkten Teuerungsausgleich, was dieses Jahr dann auch Früchte getragen hat – 3% Lohnanpassung.

FAU: Welche Chancen siehst du einen neuen GAV auszuhandeln?

Museng: Die Chancen stehen gut. Wenn Mensch bedenkt, dass wir nur wenige Punkte dazuschreiben wollen, ist es nicht tragisch, wenn einige wenige untergeordnete Punkte wegfallen – und die Neugliederung des GAV’s übersichtlicher machen. Wir müssen aber verstehen, dass der heutige GAV vom Stiftungsrat und dem Sozialpartner Unia unterschrieben ist. Das heisst, dass wir als Personal oder Peko Wünsche und Anmerkungen machen können – aber wir haben kein Gewicht. Es sei denn, wir werden von einer Gewerkschaft repräsentiert. Die an der Personalversammlung 2024 anwesenden Leute haben sich für die FAU ausgesprochen und möchten sich von der FAU repräsentieren lassen.

FAU: Kannst du mehr zu diesem Konflikt sagen?

Die ursprüngliche Idee der FAU war, eine Zusammenarbeit mit der Unia anzugehen und den GAV mitzuunterschreiben. Unsere jetzige Frustration ist, dass wir November 2024 einen Brief vom Stiftungsrat erhielten der besagte, dass sie nichts gegen eine Zusammenarbeit einzuwenden hätten, wir dies jedoch direkt mit der Unia ausmachen sollten. Seither war bis Ende Februar 2025 Funkstille, als uns der Unia Verantwortliche in einem persönlichen Gespräch erklärte, sie würden die FAU als Sozialpartner nicht anerkennen und die juristische Tariffähigkeit der FAU bezweifeln. Effektiv war die FAU aktiv beim Austausch mit Arbeitnehmerinnen mit dabei, zbsp während der Flinta-Treffen im letzten Jahr. Und mehrmals hat sich bestätigt, dass die Unia keinen Kontakt zu den arbeitnehmenden Personen im TOBS pflegt.

FAU: Während also der Stiftungsrat offen ist für eine Zusammenarbeit mit der FAU, will die UNIA diese nicht als Sozialpartner akzeptieren. Kannst du mehr über die Rolle der UNIA im Betrieb erzählen?

Museng: Ich habe vor 2024 und meinem Beitritt in die Peko den Unia Vertreter an der jährlichen Personalversammlung aus der Ferne gesehen (2023 war er nicht anwesend). Es gab schon auch Errungenschaften, Ergänzungen des GAV. Eine meiner Kolleginnen hat es geschafft, mit Hilfe der Unia (sie war Mitglied) eine Vereinbarung für die Ankleiderinnen in den GAV zu bekommen. Da geht es um Nachtzuschläge, Unregelmässigkeitszuschläge und Spesen. Dank dieser Vereinbarung wird uns dies bei unseren Löhnen angerechnet. Ich war nicht bei der Unia. Aber natürlich wird der Solidaritätsbeitrag von meinem Lohn abgezogen, wie bei allen TOBS-Beschäftigten. Das sind maximal 38.- pro Monat, bei mir wird das mit 30% berechnet. Viele haben nicht richtig verstanden, dass mensch bei der Unia Mitglied sein muss, um diesen Soli-Beitrag nicht zu bezahlen. 

Ich spürte von Anfang an viel Unzufriedenheit unter den Mitarbeiter:innen gegenüber der Unia. Ein spürbarer Mangel, gehört zu werden. Das kam alles an der Personalversammlung im August 2023 hoch, als der UNIA-Vertreter abwesend war: die Leute fühlten sich von der Gewerkschaft alleine gelassen. Klar, die Kolleg:innen, die Mitglied in der UNIA waren/sind, haben sich wenig oder nicht engagiert, waren passiv. Und dann kamen ganz viele Fragen auf, was die UNIA überhaupt für uns mache – in einer Zeit von Teuerungen, unsicheren politischen Verhältnissen, Budget-Abstimmungen, Krieg in Europa und Rechtsrutsch.

Es gab keine Basisarbeit oder  Unterstützung seitens UNIA innerhalb des TOBS. Ich meine, die Unia repräsentiert die Baubranche, das Industriegewerbe, die Uhrenindustrie etc. und sie ist die grösste Schweizer Gewerkschaft. Sie haben eine politische Agenda und Einfluss, was auch gut ist, aber ich habe mich da nie wirklich zugehörig gefühlt, auch vor meiner Anstellung im TOBS.

FAU: Mittlerweile seid ihr ja auch in Kontakt mit anderen Theatern in der Schweiz. Was ist geplant?

Museng: Wir wollen, dass die technische Belegschaft der verschiedenen Theater im Ideenaustausch ist, sich gegenseitig berät und unterstützt. Es soll auch beobachtet werden, wie die Pekos einbezogen sind und wie sich die Beziehung zwischen Personal und Gewerkschaft gestaltet. Es ist gut, wenn wir uns gegenseitig ermächtigen. Denn GAV’s und Arbeitsrecht sind keine einfachen Angelegenheiten, je besser wir uns vernetzen, desto besser können wir Forderungen stellen. Momentan sind viele verschiedene Gewerkschaften in den einzelnen Kulturbetrieben aktiv, teilweise mit gegenläufigen politischen Positionen. Mittelfristig bin ich zuversichtlich, dass wir eine gesamtschweizerische Branchengewerkschaft des technischen Personals organisieren können. Die Motivation, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, ist bei vielen vorhanden.

* Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen.